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Reiche Länder schnappen Armen die Corona-Impfdosen weg

Ist es ethisch vertretbar, dass wenige sehr reiche Länder den Grossteil der weltweit verfügbaren Impfdosen gegen Corona für ihre Bevölkerung haben, und die ärmeren Länder fast gar keine?

Von Marie-Sophie Grote

Entwicklungshilfeorganisationen wie zum Beispiel Oxfam warnen: reiche Länder wie UK, USA, Australien, Israel, Schweiz und die Europäische Union (zu der auch Deutschland gehört) haben den Großteil der weltweit vorhandenen Impfdosen gegen Corona nur für ihre eigene Bevölkerung gesichert. Die Folge ist, dass in ärmeren Ländern 9 von 10 Einwohnern vor dem Jahr 2022 keinen Impfstoff bekommen werden, wenn nicht sogar erst 2023. Das bestätigt auch die Experten der Zeitung „The Economist“ (siehe Grafik).

Anfang Februar 2021 waren in den reichsten Ländern der Welt rund 40 Millionen Menschen bereits geimpft, in Afrika nur 25 Menschen. Bis heute, so sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO, wurden weniger als zwei Prozent der weltweiten Corona-Impfungen in Afrika durchgeführt. In 130 fast ausschließlich ärmeren Staaten der Welt wurde noch keine einzige Spritze gesetzt.

Um die ungleiche Verteilung zu verhindern, hat die WHO die so genannte Covax-Initiative ins Leben gerufen. Viele Länder, wie auch Deutschland, haben viele Milliarden Euro dorthin gespendet, von denen Covax Impfstoffe für arme Länder kaufen sollte. Allerdings haben die ganzen reichen Länder für ihre Bevölkerung den Großteil der weltweit verfügbaren Impfdosen aufgekauft. Etwa 75 Prozent aller bislang verabreichten Impfdosen gegen Covid-19 wurden in fast nur zehn Ländern verimpft. Für Covax bleiben so nur noch sehr wenige Impfstoffe übrig. Und Impfdosen selbst spenden die reichen Länder nicht. Erst Ende März hat die Europäische Union klar gemacht, dass sie keine Impfstoffe an ärmere Länder abgeben wird.



Das widerspricht den christlichen Werten wie Mitgefühl oder dass man auch in der Not teilt, wie z.B. die Mantelteilung von St. Martin gut zeigt. Hätte St. Martin damals so gehandelt, wie die reichen Länder aktuell, hätte St. Martin sich erstmal selbst aufgewärmt, bis er dann den anderen Frierenden seinen Mantel gibt.

Wenn schon reiche Länder ihre Impfdosen nicht abgeben wollen, so sagt beispielsweise die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, dann könnte man zumindest in Zeiten der Pandemie soviel Nächstenliebe und Respekt gegenüber den Ärmeren erwarten, dass die grossen Impfstoffhersteller ihre Patente zur Herstellung der Impfstoffe für bestimmte Zeit kostenlos oder für eine niedrige Bezahlung an arme Länder abgeben, so dass diese den Impfstoff für ihre Bevölkerung selbst nachproduzieren könnten. Derzeit diskutieren die USA und Europa sowie 100 weitere Länder, darunter auch das derzeit besonders hart von Corona betroffene Indien, ob und wie sich das machen liesse.

Das ist nicht nur „ein moralisches Versagen katastrophalen Ausmaßes von der reichen Welt“, wie WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus sagt. Auch schaden sich die reichen Länder durch ihr egoistisches Vorgehen selbst, denn die Pandemie kann langfristig nur dann weltweit in den Griff bekommen werden, wenn möglichst schnell alle geimpft werden.